Höhe 27,5 cm; Breite 20,3 cm; Durchmesser 12,3 cm; Gewicht: 1353 gr.
Gilt englisches Silber gemeinhin als langweilig und erfreut sich somit nur mäßigem Interesse, so ist eine Periode davon ausgenommen: die Zeit etwa zwischen 1680 und 1760, als nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes aus dem Jahr 1598 durch Ludwig XIV 1685 die protestantisch geprägten Hugenotten Frankreich verließen und die Handwerker unter ihnen den Höfen besonders von Berlin und London zu neuem Glanz verhalfen.
Dabei sind unter den Goldschmieden für London neben dem wohl bekanntesten Vertreter seiner Gilde, Paul de Lamerie, vor allem Paul Crespin, Pierre Harache, Philip Rollos, Simon Patin und besonders David Willaume I. zu nennen.
David Willaume wurde 1658 in Metz geboren und läßt sich seit 1686 mit seinem Laden „The Windsor Castle“ in Charing Cross nachweisen. Von 1697-1712 ist für ihn als Adresse der „Golden Ball“, Pall Mall, im fashionable Viertel von London um St. James belegt und ab 1719 in der St. James Street selbst. Etwa 1728 zog er sich aus dem Geschäftsleben zurück und starb um 1740. Seine Arbeiten sind beredtes Zeugnis dafür, daß die reichsten und bedeutendsten Familien seiner Zeit zu seinen Kunden zählten. Sein Einfallsreichtum und die untadlige Ausführung der Silberobjekte lassen viele von diesen zu wahren Meisterwerken werden.
Dazu sind u.a. Schenkkannen von ihm zu zählen, die sich z.B. im Besitz der Herzöge von Portland sowie Abercorn oder des Grafen Fitzwilliam befinden. Die Wertschätzung zeigt sich nicht zuletzt an der Kanne, die seit 1890 im Victoria&Albert Museum (British Gallery, room 546, case 11, Inv. 822-1890) verwahrt wird.
Die vorliegende, vergoldete Schenkkanne ziert unter der Krone eines Barons das Allianzwappen von Philip Yorke (1690-1764) und Margaret Cocks (-1761), die am 16. Mai 1719 heirateten. Im darauffolgenden Jahr wurde Philip Yorke geadelt und bekleidete die Funktion eines Solicitor General (Oberster Anwalt). Vier Jahre später stieg Philip Yorke auf zum Attorney General (Kronanwalt), ein Amt, das er bis 1733 innehatte, bevor er zum Lord Chief Justice of England (Lord Oberrichter von England) befördert und am 23. November 1733 in den Stand des 1. Baron Hardwicke erhoben wurde. Von 1737-1756 diente Philip Yorke als Lord High Chancellor of Great Britain (Hoher Lordkanzler von Großbritannien) – und damit Vorsitzender des Oberhauses (House of Lords) – und stieg ob seiner Verdienste am 02. April 1754 auf in den Stand eines 1. Earl of Hardwicke. Damit läßt sich die Anbringung des Wappens auf der in der Zeit von Queen Anne von David Willaume I. 1707/1708 gefertigten Kanne auf die Jahre zwischen 1733 und 1754 präzisieren.
In diese Zeit fällt auch der Erwerb 1739 von Wimpole Hall, Cambridgeshire, dem größten und schönsten Anwesen der Gegend, das sich seit 1976 im Besitz des National Trust befindet. Der plastisch ausgearbeitete Henkel der Kanne in Form eines wohlbeleibten, älteren und bärtigen Mannes erinnert an die Gestalt eines Bacchus, so daß davon ausgegangen werden kann, daß die Schenkkanne nicht für Wasser – wie manche anderen Exemplare – sondern für Wein gedacht und damit für das Eßzimmer von Wimpole Hall bestimmt war. Hier wird der repräsentative Charakter des vergoldeten Silberobjektes den Gästen die herausgehobene soziale Stellung des Besitzers eindrucksvoll vor Augen geführt haben.
Der Repräsentationscharakter solcher Kannen zeigt sich nicht zuletzt auch im Rückgriff des späten 19. Jahrhunderts auf Modelle der Zeit um 1700, wie beispielsweise der Helmkanne als Regattapreis von 1897/1898, die aus dem Besitz des Deutschen Kaisers heute in Schloß Haus Doorn (Inv. HuD 7839) als Geschenk Ihrer Majestät der Queen (Victoria) aufbewahrt wird.
Literatur:
Zur überragenden Bedeutung dieses Silberschmiedes s.a.: Hugh, Honour, Orafi, Argentieri, 1972, S. 138-141.
Herausragende Silberobjekte der Zeit um 1700 finden sich u.a. in der Alan und Simone Hartman Collection, s. Christopher Hartop, The Huguenot Legacy, English Silver 1680-1760, London 1996.
Zu David Willaume I. vgl. den Internet- Eintrag von Koopman.
Zur Helmkanne in Haus Doorn s. H.Schadt/I.Schneider et al., Kaiserliches Gold und Silber, Schätze der Hohenzollern aus dem Schloß Huis Doorn, Ausstellungskatalog Hanau, Berlin 1985, S.103-104:77.
Zum Preisbild von Schenkkannen von David Willaume I. vgl. z.B. Kunstpreisjahrbuch Bd. 38A, 1983, S.259; Bd. 43:2, 1988, S.355; Bd. 47:2, 1992, S.375.
Dimensions:
Höhe: 27.5 cm | 10.83 in.
Breite: 20.3 cm | 7.99 in.
Tiefe: 12.3 cm | 4.84 in.